Koch-Lese-Bücher: Das ideale Bettmümpfeli

Wozu noch ein Kochbuch? Das fragten mich in letzter Zeit viele Leute, nachdem sie erfahren hatten, dass nun auch waskochen.ch ein Kochbuch (Print!) produziert hat. Klar, Kochbücher gibts unzählige. Aber erstens kann man nie genug Inspiration haben (man muss ja dann nicht zwingendermassen exakt nach Mass nachkochen – die wenigsten, die ich kenne, tun das im Alltag). Und zweitens sind Kochbücher ja eigentlich eine wunderbare Alternative zu Romanen, die man gerne auch als Bettmümpfeli geniesst.

Zwei Bücher, die in erster Linie Lesestoff und erst in zweiter Kochbuch sein wollen, habe ich nun, nach Abschluss unseres Buches und mit endlich wieder mehr Musse für anderes, endlich auch mal geniessen können. Beide kommen aus Schweizer Küchen. Beide sind von professionellen Schreiberlingen und leidenschaftlichen Köchen verfasst. Beide haben nicht den Anspruch, Profikoch-Niveau zu haben. Und beide lesen sich wie ein leichtes Dessert nach einem vorzüglichen Mahl. Beide sind nicht brandneu, aber doch immerhin in den letzten Monaten auf den Markt gekommen. Und nur weil etwas nicht neu ist, heisst das ja nicht, dass es nicht lesenwert ist – Fleisch, das weiss der Kenner, schmeckt auch am besten, nachdem es gut abgehängt ist.

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Nur-teilweise-Kochbuch-in-erster-Linie-Lesebuch 1:
Schokoladenpudding für die Seele – meine wunderbare Krisenküche, von Marianne Weissberg, Fona-Verlag, ca. CHF 29.90
Marianne Weissberg ist für Medien-konsumierende Schweizer keine Unbekannte. Mit ihrem Buch «Das letzte Zipfelchen der Macht», einem satirischen Essayband über den Geschlechterkampf, wurde sie in den Neunziger Jahren bekannt. Ihre WG-Rezepte erschienen im Magazin des Tages-Anzeigers. Beim Blick schrieb sie jahrelang eine Kolumne. Heute ist sie selbstständig – und nach einer persönlichen Krise erinnerte sie sich an etwas zurück, das Kummer und Not vergessen lässt: an gutes Essen. An einen feinen Hackbraten. An den Schokoladenpudding, den sie als Teenie in der Schublade hortete. Und so begann sie in einer winzigen Küche zu kochen. Einfache Gerichte. Nicht unbedingt das Filet, das sie zu Schicki-Zeiten noch in die Pfanne gehauen hätte. Stattdessen gabs Hühnersuppe. Oder «die Königin aller Braten: Gefüllte Kalbsbrust». Und weil Marianne gerne für Freunde kocht, das Budget aber in Krisenzeiten beschränkt war, verrät sie auch, wie man sich durch die Küche blufft, etwa mit dem «rosaroten Grande-Dame-Krevettencocktail» der sehr, sehr wenig Krevetten (idealerweise aus umweltverträglichem Fang – so viel Luxus muss sein) drin hat, aber nach viel aussieht. Mariannes Buch öffnet den anderen Blick auf die Krise. Die persönliche und die wirtschaftliche.

Wer die Autorin live erleben will: Marianne Weissberg liest am 5. Mai, 20 Uhr, in der Buchhandlung Thalia Vogel in Winterthur. (Vortrag mit Degustation: CHF 12; Vorverkauf bei Vogel Thalia Bücher, Tel. 052 269 34 34 oder winterthur [at] thalia [dot] ch). Mehr über die Autorin gibts hier: www.marianneweissberg.ch

Nur-teilweise-Kochbuch-in-erster-Linie-Lesebuch 2:
Anonyme Köche – Das Leben macht Spass mit Demiglace, Claudio Del Principe, GU-Verlag, ca. 35.90

Eine persönliche Krise stand auch am Anfang von Claudio Del Principes Kochbuchautoren-Karriere. Er verlor in der Folge einer vermeintlich harmlosen Erkältung seinen Geschmackssinn. Alles schmeckte nach Pappe. Doch nach über einem Jahr «faden und tristen Kauens», wie er im Buchintro schreibt, schmeckte eine Himbeere plötzlich wieder wie eine Himbeere. Und seither ist er versessen auf Food, so versessen, dass Freunde und Bekannte seine Erzählungen über Demiglace & Co. irgendwann satt hatten. Was tun? Gibt es sowas wie eine Hilfsgruppe für Kochsüchtige? Claudio gründete mit ein paar Freunden den Blog anonymekoeche.net, wo er fortan seine Kochabenteuer für die Leute schilderte, die sie sich gerne immer wieder reinziehen und die genauso süchtig sind nach neuen Kochherausforderungen, wie der Autor selber. Ende 2009 nun erschien das Buch zum Blog. Ganz klar: kein Kochbuch der alten Schule. Viel mehr ein Rezeptgeschichten-Buch. In dem der Leser etwa erfährt, dass es bei Claudio in der – italienischstämmigen – Familie zur Begrüssung für Heimkehrer Brodo gibt. Natürlich hausgemachten Brodo, mit hausgemachten Pasta als Einlage. Wenig Zutaten, die Kunst des Weglassen – das ist es, was Claudio sucht und zusammen mit seinen Lesern entdeckt. Fleisch spielt eine grosse Rolle. Fleisch für Fonds, für Demiglace (Blog-Slogan: Das Leben macht Spass mit Demiglace). Aber auch Fleisch auf dem Teller, wie etwa ein Côte de boeuf. Die meisten Buchbeiträge sind auch im Blog zu finden. Aus meiner Sicht aber kein Grund, das Buch nicht zu kaufen. Erstens, weil Foodblogger, die gutes Essen mit Herz und Seele vertreten, Unterstützung verdient haben. Und zweitens, weil man den Blog ja nicht als Bettmümpfeli ins Bett nehmen kann (ausser man hat bereits einen dieser ultraschlanken Tablet-PCs, was auf mich leider noch nicht zutrifft).

Mehr über Claudio Del Principe: www.anonymekoeche.net