Raronautik-Mission von Pro Specie Rara: die Bohne

Sie ist immer noch viel zu oft zur Beilage degradiert: die Bohne. Pro Specie Rara möchte das dringend ändern und lädt zu einem Event rund um die Hülsenfrucht ein.

Müsste ich ein Gemüse mitnehmen auf die Insel, es wäre die Bohne. Genauer: die Stangenbohne. Ich mag sie als Salat. Aber ich gestehe: Auch matschig gekocht mit Speck, so wie früher, geht sie bei mir runter wie Butter. Seit einigen Jahren bin ich auch Fan der Feuerbohne, dieser bisweilen fast Ping-Pong-Ball grossen Kerne, die ich beispielsweise mit Bergkartoffeln zu Salat verarbeite, so wie mir das einst Freddy Christandl empfohlen hat.

«Painted Lady» heisst diese Bohnensorte, würde sich doch gut machen auf einer Menukarte, oder?

Doch gerade die Bohnenkerne sind ein selten kultiviertes Gut in der Schweiz.  «Was einst in der Schweiz als Grundnahrungsmittel galt, ist heute fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden und wird auch in der Gastronomie sehr stiefmütterlich behandelt», sagt Mathias Bamert, bei Pro Specie Rara (PSR) zuständig für die Gastronomie (siehe auch Interview ganz am Schluss). «Von den über 200 Bohnensorten, die ProSpecieRara in ihrer Samenbibliothek führt, sind vermutlich etliche für die Verwendung als Trockenbohne geeignet. Wir möchten den Köchen die Möglichkeit bieten, diese vielseitig verwendbaren Hülsenfrüchte zu entdecken.»

Für die Raronautik-Missionen spannt PSR zusammen mit Tobias Zihlmann. Der Koch aus Zürich ist als selbstständiger Gastro- und Kulinarik-Berater tätig und befasst sich als solcher viel mit dem Thema Gemüse. «Ich lernte PSR das erste Mal im Herbst 2014 kennen und erkannte sofort, dass da aus kulinarischer Hinsicht ein riesiger Schatz besteht, den ich zusammen mit PSR und der Gastronomie gerne heben möchte», sagt er.

Alles Randen? Ja. Impression der Randen-Raronautik-Mission.

Ich durfte auch schon teilnehmen an einem dieser vegetabilen Schatzsucher-Events. Es ging dabei um die Rande, die wir in allen Formen und Farben verkosteten, roh, gekocht oder auch fermentiert (von Patrick Marxer, Das Pure). Eine solche Vertikal-Degustation von einem Gemüse ist, wie das Pendant beim Wein, spannend und zeigt, dass eben Rande nicht Rande ist. Oder: Bohne nicht Bohne.

Ort des Geschehens für die nächste Raronautik-Mission ist das Restaurant Schöngrün beim Zentrum Paul Klee in Bern. Dort hat Betriebsleiter Jürg Wirz mit dem Bauern Stefan Brunner zusammengespannt und einen Bio-Garten angelegt. Sein Küchenteam verkocht diesen unter Anleitung von Küchenchef Simon Sommer (Wer so richtig gut gekochtes Gemüse essen will, sollte Simon unbedingt mal einen Besuch abstatten!). Ich durfte neulich bereits an einer kleinen Verkostung teilnehmen – das wird spannend!

Der Gartenpavillon vor dem Restaurant Schöngrün – die Beete sind bestückt mit unzähligen PSR-Pflanzen, beispielsweise mit Bohnen.

Unter anderem wachsen im Schöngrüner Garten natürlich auch Bohnen. Philipp Holzherr, Bereichsleiter Garten-, Acker- und Zierpflanzen, wird die Kursteilnehmer darum mitnehmen auf einen Gartenrundgang und dabei sein umfangreiches Wissen zu Bohnen teilen.

Wissen teilen auch die weiteren Gäste: Yuko Suzuki & Markus Baumgartner (Shinwazen) zeigen, wie aus Bohnen Misopaste entsteht. Claudio Del Principe (Anonyme Köche) demonstriert traditionelle Bohnengerichte aus Italien, wo diese Tradition haben.

Und ich gebe hier gleich mal noch meinen Leaf-to-Root-Senf dazu. Denn: Bohnen haben erstanlich viele Teile, die essbar sind, abgesehen von der Bohne. Die grünen Triebe der Ackerbohne (Favabohne) etwa sind delikat, beispielsweise in einem Curry. Von klassischen Bohnen können auch die Blätter verspeist werden, idealerweise gekocht. Und: Die Feuerbohne hat Rhizome, die essbar sind. Die beiden Köche Andree Köthe und Yves Ollech vom Essigbrätlein in Nürnberg bereiten daraus ein Püree zu.

PSR-Raronautik-Mission
7. August 2017, 13 bis 17.30 Uhr
Restaurant Schöngrün, Zentrum Paul Klee, Bern
CHF 170 pro Person (PSR-Gönner/Gütesiegelbetriebe: 140)
Hier kannst Du Dich verbindlich anmelden!

Anmerkung: Die Raronautik-Missionen sind für Köche und Gemüseproduzenten gedacht. Du bist interessierter Konsument? Dann einfach kurz anfragen unter info [at] prospecierara [dot] ch

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Was ist Raronautik?

Interview mit Mathias Bamert und Tobias Zihlmann

Tobias Zihlmann (l.) und Mathias Bamert. (Fotografie Tobias: George Eberle für marmite.ch)

Lieber Mathias, lieber Tobias, Ihr organisiert seit 2016 gemeinsam die Raronautik-Events. Was ist die Grundidee dahinter?

Mit dem Projekt “Raronautik“ möchten wir der Gastronomie das unglaublich grosse, kulinarische Potential dieser Vielfalt näher bringen und dieses zusammen neu entdecken. Während den bis zu sechs Raronautik-Missionen jährlich geben wir den Profiköchen unser Wissen über die raren Pflanzen und Tiere weiter, fördern das Verständnis der ganzen Wertschöpfungskette und – ein zentraler Aspekt – zeigen Möglichkeiten auf, wie diese Spezialitäten in den Gastroküchen eingesetzt werden können.

Du bist zuständig für die Gastronomie bei PSR, Mathias. Welche Ziele verfolgt Ihr für die kommenden Jahren? Was möchtet Ihr in der Gastronomie, bei den Köchen anstossen?

Die positiven Rückmeldungen der bisherigen Teilnehmenden – darunter auch Köche wie Sven Wassmer, Rebecca Clopath oder Moritz Stiefel – bestätigen uns, die Missionen auch in Zukunft weiterzuführen, denn es gibt noch viel zu entdecken. Denn die Vielfalt an Farben, Texturen, Aromen und Geschmäckern ist enorm gross und geht über das hinaus, was Profiköche bis anhin in ihren Küchen verwenden. Ausser bei Obst und Kartoffeln sind die Sortenbezeichnungen gänzlich verschwunden. Es käme keinem Gastronomen in den Sinn, in der Weinkarte nur von Rot- und Weisswein zu schreiben. Dieses Sortenbewusstsein gerade beim Gemüse wollen wir fördern.

Gibt es längerfristige Ziele?

Ja, der Aufbau von ProSpecieRara-Produkten speziell für die Gastronomie. Die einstige Vielfalt an Sorten und Rassen ist durch die Industrialisierung praktisch gänzlich verschwunden, bis zu 75 Prozent ging in den letzten 100 Jahren verloren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Ackerbohne. Das einstige Grundnahrungsmittel wurde im 18. Jahrhundert durch die Gartenbohnen und Kartoffeln verdrängt, überlebte aber aufgrund der geeigneten Anbaubedingungen im Bergackerbau, bevor sie auch dort zugunsten der Viehwirtschaft aufgegeben wurde. Dabei hat sie ein grosses Potential und ist eine Wiederentdeckung wert, gerade auch für die Gastronomie. Das Ziel von ProSpecieRara ist dann erreicht, wenn ein möglichst grosser Anteil der raren Sorten und Rassen wieder angebaut, gehalten, gehandelt, verarbeitet und konsumiert wird. Erhaltung durch Genuss lautet das Motto und hilft, die längerfristige Existenz von seltenen Sorten und Rassen zu sichern. Und da können die Gastronomen einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Zeichnet sich schon ein Wandel ab? 

Die aktuelle Nachfrage in der Gastronomieszene geht mit mehr Regionalität, mehr Terroir, mehr Geschmack, mehr Nähe zur Natur, mehr Einfachheit etc. genau in die Richtung, in welche ProSpecieRara mit der Sorten- und Rassen-Erhaltung und Förderung zuhause ist. Entsprechend spüren wir von der Gastronomie eine gesteigerte Nachfrage und Interesse an der Vielfaltsthematik.

Wie können sich Betriebe bei Euch beteiligen/wie können sie bei PSR mitmachen?

Eine Möglichkeit, sich zu engagieren, besteht in der Verwendung von Produkten mit dem PSR-Gütesiegel. Dieses garantiert die aufwendige und seriöse erhaltungszüchterische Arbeit und gewährleistet, dass die darunter angebotenen Sorten und Rassen auch tatsächlich von ProSpecieRara anerkannt sind. Angebote findet man auf dem Online-Marktplatz von ProSpecieRara. Restaurants, die regelmässig ProSpecieRara-Produkte verwenden, können unser Gütesiegel beantragen. Es gibt bereits mehr als 20 Gastronomiebetriebe, die regelmässig ProSpecieRara-Produkte verwenden. Diese wurden von uns mit dem ProSpecieRara-Gütesiegel ausgezeichnet.

Du, Tobias, organisierst für PSR die Raronautik-Events. Wie ist die Zusammenarbeit zu Stande gekommen?

Das Raronautik-Projekt ist die Quintessenz aus unserer Zusammenarbeit. Denn die Vielfalt an Geschmäcker, Aromen, Farben, Formen und Konsistenzen die ich in den letzten Jahren durch PSR entdeckt habe, darf der Gastronomie nicht vorenthalten werden. Wir entschieden uns deshalb, mit dem Raronautik-Projekt der Gastronomie diese Vielfalt wieder näher zu bringen.

Was möchtest Du erreichen?

Völlig neue Geschmackswelten warten nur darauf entdeckt zu werden. Aber auch bei den Verarbeitungsmöglichkeiten bieten alte Sorten und Rassen viele Vorteile. Bei den allermeisten Gemüsekulturen gibt es einzelne Sorten, die sich für eine bestimmte Verarbeitungsmethode speziell gut eignen und dann auch speziell gut schmecken. Beispiele Gurke: Die Sorten „Kaiser Alexander“ oder „Russische“ sind Schmorgurken, die „Vorgebirgstraube“ eine Einmachgurke. Mir ist aber auch sehr wichtig, dass die Köche anerkennen, dass sie eine grosse Verantwortung für die kommenden Generationen haben.

Dieaktuelle Raronatik-Mission widmet sich der Bohne. Ihr schreibt, dass es kaum kommerziellen Bohnenanbau gibt in der Schweiz. Warum?

Diese Aussage bezieht sich v.a. auf den Anbau von Trockenbohnen. Im Vergleich zu den grünen Bohnen ist diese fast gänzlich aus dem kommerziellen Anbau verschwunden. Dies hat unter anderem mit dem schlechten Ruf als Armeleuteessen, das den Trockenbohnen anhängt, aber auch mit dem aufwändigen und oft risikoreichen Anbau zu tun. Um sie zu ernten, müssen diese an der Pflanze bleiben, bis sie trocken sind. Dies dauert oft bis in den Herbst hinein, das Risiko von Krankheiten und Schädlingen ist dann gross, Verluste oft hoch. Zudem wird auf kleineren Flächen von Hand geerntet, dies ist arbeitsintensiv. Entsprechend hoch sind die Preise für solche Exklusivitäten. Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb der Trockenbohnenanbau v.a. nach Ost- und Südeuropa ausgelagert wurde.

Gibt es denn Potenzial für Trockenbohnen in der Schweiz?

Ja, wenn auch im kleinen Rahmen. Spannend für Trockenbohnenproduzenten wäre etwa die Veredelung ihrer Bohnen. Dafür kann man sich an ausländischen Küchenkulturen orientieren. Die Japanische zum Beispiel bietet extrem spannende Methoden der Verarbeitung und In-Wert-Setzung von Trockenbohnen, die man an hiesige Sorten adaptieren könnte. So etwa die Miso-Paste. Dies sind Gründe, weshalb wir die kommende Raronautik-Mission auch für interessierte Gemüseproduzenten geöffnet haben. Wir möchten den Austausch zwischen Köchen und Produzenten fördern.