Wemakeit – We-ferment-it: Ein Crashkurs im Café Boy mit Jann Hoffmann und Sabine Tanner

Fermentation macht derzeit in der Spitzenküche viel von sich reden – auch Schweizer Köche tischen vermehrt fermentierte Speisen auf. Im Rahmen unseres Crowdfundings organisierte Jann Hoffmann vom Restaurant Café Boy für uns einen Kurs, zusammen mit Sabine Tanner von Das Pure, der Genusswerkstatt in Wetzikon.

Wer sich mit Fermentation befasst, lässt sich ein auf ein Geschmacks-Abenteuer. Doch zuerst einmal ging es an unserem Crash-Kurs im Café Boy um Alltägliches. «Welche fermentierten Lebensmittel sind euch bekannt?», fragten Sabine und Jann unsere Supporter-Runde zum Start. Tee, Vanille, Pfeffer etwa fielen den Kursteilnehmern ein. Oliven. Käse. Wurst. Brot. Und natürlich die Mutter der Fermentationsgemüse: das Sauerkraut.

Fermentation ist also schon Teil unserer Küche, nur sind wir es uns vielleicht nicht so bewusst. In anderen Ländern wie Japan etwa  sind fermentierte Lebensmittel viel präsenter. Sojasauce beispielsweise ist auch ein Fermentationsprodukt, das viel Umami in die Speisen bringt. Oft werden in Japan Speisen von fermentierten Kleinigkeiten begleitet, etwa von einem Stückchen fermentiertem Rettich. Und in Korea ist gar das Nationalgericht ein Fermentationsgericht: Kimchi, also fermentierter Kohl.

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Unsere tollen Kursleiter Jann Hoffmann und Sabine Tanner. Fotos: Salvatore Vinci

Fermentierte Speisen bringen neue Aromen auf den Teller. Darum arbeiten auch bei uns viele Köche daran, alte Konservierungstraditionen neu zu interpretieren. Über den Fermentationstrend schrieb ich letztes Jahr einen Artikel für Züritipp, in dem auch Jann Hoffmann vom Restaurant Café Boy vorkam. Jann brachte von einer Exkursion zu Avantgardekoch Jonnie Boer in Holland einen Scoby mit, einen Kombuchastarter. Der sieht aus wie ein glibbriger Pilz, ist aber eine sogenannte Symbiose verschiedener Hefen und Essigsäurebakterien. Der Scoby wird beim Grundrezept in stark gesüssten Schwarztee gegeben – das Resultat ist Kombucha. Jann aromatisiert damit etwa Mayonnaise. Stellt ein Tomaten-Apfel-Relish hier. Oder er kocht Chipirones, also Mini-Tintenfische, darin. Kombucha verleiht Speisen eine angenehme Säure. Macht sich darum auch gut in Salatsaucen, als Essigersatz. Für Fermentations-Einsteiger ist die Herstellung von Kombucha ein prima Anfang. (Rezept von Jann Hoffmann siehe hier)

Und noch ein Einsteigerrezept präsentierte Jann. Man nehme: ein Kilo Rotkohl, schnetzle ihn fein, gebe 20 Gramm reines Meersalz dazu, nach Belieben einen Apfel und etwas Meerrettich geraspelt. Knete, bis sich Flüssigkeit bildet. Alles ab in ein Einmachglas. Gemüse beschweren, damit es unter der Flüssigkeit ist. Zwei, drei Wochen gären lassen. Dann kann man das Rotkraut entweder noch kochen. Oder es aber so machen wie Jann: «Ich bereite damit ein Vegi-Sushi zu.»

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Rotkraut kneten, bis Saft austritt; die Nase ist beim Fermentieren ein wichtiges Messinstrument. Fotos: Salvatore Vinci

Bei Das Pure in Wetzikon ist Fermentation auch ein wichtiges Thema. Einen Namen gemacht hat sich Das Pure etwa mit geräuchertem Fisch. Aber auch mit Würsten. Neu ist das Team auch daran, Gemüse zu fermentieren. Sabine Tanner von Das Pure brachte denn auch eine Handvoll Gläser mit. Darin etwa fermentierter Knoblauch. Oder Randen. Die Lebensmittelwissenschaftlerin setzt sich intensiv mit der Thematik auseinander. Was ist denn eigentlich Fermentation? «Es gibt zwei Definitionen», klärte sie unsere Supporter-Runde auf. «Entweder man spricht nur von anaeroben Prozessen, wie sie etwa bei Sauerkraut passieren», sagt die Expertin. Will heissen: Lebensmittel sind mit Flüssigkeit bedeckt, sodass kein Sauerstoff an sie rankommt– es passiert eine Milchsäuregärung. Die Milchsäurebakterien befinden sich bereits am Gemüse und vermehren sich dann unter Ausschluss von Sauerstoff. Oft werde Fermentation heute aber weiter gefasst, so Sabine: «Viele bezeichnen damit generell Prozesse, bei denen Lebensmittel eine enzymatischen Veränderung durchmachen.» Sprich: Auch der gesalzene Fisch, der sich durch Reifung verändert, wird nach dieser Definition fermentiert. Oder Kombucha, bei dem der Scoby seine Arbeit tut mit Sauerstoffeinfluss.

Für Einsteiger, die sich an die Fermentation machen wollen, eignen sich vor allem Gemüse. Während bei Fisch und Fleisch viel Knowhow Voraussetzung für gesunde Resultate ist, ist die Fermentation von Gemüse gesundheitlich unbedenklich, vorausgesetzt, man arbeitet sauber. Sabine dazu: «Man muss gutes Gemüse nehmen und dieses gut waschen, denn auch schädliche Bakterien können sich beim Fermentieren vermehren.» Dann gaben die beiden Experten einige Tipps:

  • Als Grundregel: 20 Gramm Salz auf ein Kilo Gemüse (Man redet von 2 Prozent Salz). Mehr Salz bedeutet langsamere Gärung, zuviel Salz tötet die erwünschten Mikrobakterien ab.
  • Kein jodiertes Salz nehmen, denn das Jod stört die Bakterien.
  • Vorsicht mit Gewürzen, sie können den Fermentationsprozess behindern, weil etwa Schadstoffe oder Bakterien dransein können.
  • Beschweren kann man das Gemüse klassisch mit einem Gewicht aus Ton. Oder man nimmt zB einen Glasdeckel von einem kleineren Einmachglas. Oder auch einen Plastiksack, der mit Wasser gefüllt ist.
  • Je kleiner die Gemüsestücke, desto besser wird fermentiert.
  • Ideal ist, wenn man Gemüse in den ersten Tagen bei rund 20 bis 22 Grad fermentiert, jedoch nicht höher als 22 Grad, sonst könnten sich schädliche Bakterien besser durchsetzen. Danach stellt man die Töpfen an einen kühleren Ort (ca 15 bis 18 Grad). 
  • Bei der Fermentation entsteht CO2; Fermentationsgefässe sollten also nicht hundert Prozent dicht sein. Ideal sind spezielle Gärtöpfe mit Wasserbarriere (Druck kann entweichen, von aussen kommt aber nix rein); man kann aber auch normale Einmachgläser nutzen (mit Gummiring – Drehverschlüsse nicht ganz zumachen). Einfach Druck kontrollieren und idealerweise in ein Gefäss stellen, für den Fall, dass Flüssigkeit durch den Druck entweicht.

Fermentieren kann man Gemüse entweder im eigenen Saft, wie etwa Sauerkraut oder das oben beschriebene Rotkraut. Oder in einer Salzlauge. Karottenstäbchen beispielsweise sondern selber keinen Saft ab und brauchen darum eine Wasser-Salz-Lauge, in der sie vergären.

Wichtiges Thema beim Seminar: Wie lange ist fermentiertes Gemüse haltbar? Sehr lange. Jedoch ist es so, dass nach abgeschlossener Milchsäuregärung das Gemüse immer schaler wird. Darum: Wenn der Geschmack stimmt, das Gemüse entweder essen. Oder es konservieren. Sobald man es in den Kühlschrank stellt, verlangsamt sich der Fermentationsprozess. Wer ihn ganz stoppen will, kann das Gemüse sterilisieren: Will heissen, bei 120 Grad im verschlossenen Einmachglas eine Stunde in der Backofen stellen. Danach ist es sehr lange haltbar.

Begeistert von unserem Kurs machten sich einige grad an ihre ersten Fermentations-Experimente. Siehe auch Foto ganz unten.

So, und wer nun selber loslegen will mit Fermentieren, findet hier Informationen:

Nourished Kitchen ist ein Blog, der sich ganz traditionellen Lebensmitteln widmet und sehr viele Rezepte für Fermentation bereithält:
Fermentationsrezepte auf Nourished Kitchen. Und wers noch genauer wissen will, findet auf der Website sogar einen Online-Kurs zum Thema.

Bei Wilde Fermente von Isa findet Ihr unzählige Rezepte in Wort und Bild. Und wer sich austauschen will, kann das in der Facebookgruppe tun. Ein toller Ort, auch für Anfänger.

Quasi die Bibel für Fermentation ist: Sandor Ellis Katz, The Art of Fermentation

Sabine empfiehlt noch das Buch EINMACHEN Gemüse natürlich einlegen von Karin Bjos.

Und Sabine hat mir noch einen Link geschickt von einer koreanischen Youtuberin, die unter anderem zeigt, wie man Kimchi macht – sehr unterhaltsam!  www.maangchi.com

Und wer wissen möchte, wie die Fermentation von Sojasauce funktioniert, findet auf der Website unseres Sponsoringspartners Kikkoman die Informationen.

Kurze Zeit nach unserem Kurs schickte mir Teilnehmer Pascal Haag ein Bild von seinem Kombucha und fermentiertem Chicoree mit Chilli – toll, dass der Kickoff von Jann und Sabine gefruchtet hat:

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