Mit Herz und Hirn

Beuscherl aus Lunge und Herz – wunderbar, fein im Geschmack, fast wie ein Pilzragout, einfach kräftiger im Geschmack.

„Unglaublich, diese Feedbacks“, rief mich diese Woche Stefan Wieser vom Restaurant Stefs Freieck in Zürich an. Als Gastrokritikerin im Züritipp hatte ich letzte Woche einen Artikel geschrieben über ein Innereien-Menu, das er an zwei Abenden kocht. Offenbar läuft seither das Telefon heiss bei Wieser. Eine alte Frau habe fast geweint, so glücklich sei sie, wieder mal Hirn essen zu können, erzählte mir Wieser.

Sechs Gänge bietet der Koch an. Etwa paniertes Kalbshirn. Beuscherl aus Lunge und Herz. Oder auch Kalbsmilken. Offenbar hat es noch Platz. Heute Freitag 8. und morgen Samstag 9. März, jeweils ab 18 Uhr. 4 Gänge 72 Franken, 6 Gänge 108 Franken. Anmeldung unter: 044 380 40 11

 

Zugegeben, einfach im Sud gekocht sehen Hirn (v.), Herz und Lunge nicht sehr appetitlich aus.
Zugegeben, einfach im Sud gekocht sehen Hirn (v.), Herz und Lunge nicht sehr appetitlich aus.

Und hier der ganze Artikel aus dem Züritipp vom 27. Februar 2013:

Welche Innereien essen Sie? Wahrscheinlich, wenn überhaupt, mal Leber, vielleicht Kutteln, eventuell noch Milken. Andere Innereien, etwa Hirn und Herz, verzehren die Deutschschweizer wenig, obschon auch daraus ausgezeichnete Gerichte zubereitet werden können.

von Esther Kern

Wie das geht, zeigt an zwei Abenden Stefan Wieser im Freieck im Seefeld. Er kreiert ein Menü aus Innereien. Schon letztes Jahr lud er zu diesem Schmaus ein – und war erstaunt über die Resonanz. «Eigentlich hatte mich ein Bekannter gefragt, ob ich für seine Freunde ein Innereien-Menü kochen könne», sagt er. Andere Gäste, die davon hörten, meldeten sich ebenfalls an. «Und seither fragen immer wieder Gäste, ob ich so was nicht wiederholen könnte.» Allerdings, so Wieser, lassen die etwas spezielleren Fleischstücke fast nur Männerherzen höherschlagen. «Bei Frauen hört es offenbar auf bei Leber, Kutteln, Milken.»Bei uns fängt das Interesse dort an. Paniertes Hirn etwa oder Beuscherl aus Herz und Lunge – beides kocht Wieser für die Innereien-Abende – gibts in Zürich nicht jeden Tag. Deshalb möchten wir vom Koch wissen, worauf es bei der Zubereitung zu achten gilt, und melden uns zu einem Küchenbesuch an.

Wieser hat bei unserer Ankunft morgens um neun die Innereien bereits vorbereitet: das Hirn gewässert, gesäubert und in einem Sud 15 Minuten ziehen lassen. Herz und Lunge eineinhalb Stunden gekocht. «Die Lunge habe ich danach noch gepresst, damit sie fest in der Konsistenz wird – ungepresst wäre sie eher schwammig», so Wieser. Beuscherl-Kochen, sagt er, sei auch für ihn Premiere. Er hat sich inspirieren lassen durch österreichische Kochbücher.

Eher gräulich, um nicht zu sagen unappetitlich sehen die Innereien nach den ersten Vorbereitungen aus. Doch später sollten daraus zwei wunderbare Kreationen werden. Herz und Lunge schneidet Wieser in nudelförmige Stücke. Noch schmeckt das Fleisch nach wenig. Eine Sauce dafür hat Wieser bereits vorbereitet aus dem Sud, Rahm und Butter. Kurz vor dem Servieren wärmt er das Fleisch darin auf, gibt gebratene Pilze und Schnittlauch dazu. Fertig. Fleisch, Pilz und Rahmsauce ergeben ein rundes Gericht. Im Blindtest würden wohl die wenigsten auf Innereien tippen.

Das Kalbshirn schneidet Wieser in rund drei Zentimeter dicke Scheiben, die er paniert und mit Öl und zum Schluss noch etwas Butter anbrät. Ein Estragonschaum auf der Basis des Suds mit sehr viel Butter ergänzt das Stück Fleisch, das nun wie ein kleines, etwas zu dick geratenes Wiener Schnitzel aussieht – und ausgezeichnet schmeckt. Sicher, die Konsistenz ist gewöhnungsbedürftig, gelartig. Hirn erinnert an Milken, ist aber bedeutend weicher, zergeht fast auf der Zunge. Wieser bezeichnet paniertes Kalbshirn gar als sein Lieblingsgericht.

Nach dem BSE-Skandal liessen viele die Finger von Kalbshirn – obschon der Verzehr dieses Fleisches, im Gegensatz zu Rinderhirn, nicht verboten wurde. Worauf gilt es denn im Umgang mit Innereien zu achten? «Sie müssen einfach sehr frisch sein», sagt Wieser. Will man selber einen Kochversuch starten, kann man bei vielen Metzgern Innereien vorbestellen. Wieser: «Nur Kuheuter konnte ich bislang nirgends finden – die werden offenbar direkt entsorgt.»

Stefan Wieser, Koch im Freieck.
Stefan Wieser, Koch im Freieck.
Paniertes Kalbshirn, in kleinen Mengen schmeckts gut, ist allerdings sehr reich an Fett und Eiweiss. In der Konsistenz ähnlich wie Milken, aber gelartiger.
Paniertes Kalbshirn, in kleinen Mengen schmeckts gut, ist allerdings sehr reich an Fett und Eiweiss. In der Konsistenz ähnlich wie Milken, aber gelartiger.