Verjus – Saures für Feines, direkt ab Quelle .:mit Rezept:.

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Verjus – grüner Saft. Vor einiger Zeit entdeckte ich diese neue Küchenzutat – die so neu gar nicht ist, doch dazu später mehr. Verjus, wird aus grünen Trauben gepresst wird. Entsprechend sauer ist er – so sauer eben, dass er wie Zitronensaft eingesetzt werden kann. Jedoch ist er etwas weniger aggressiv im Geschmack.

Für «Transhelvetica», das neue Reisemagazin aus der Schweiz, besuchte ich Diego Mathier in Salgesch VS, den Schweizer Wiedererfinder des Verjus – und liess mir von Spitzenkoch Heinz Rufibach in Zermatt zeigen, wie man Verjus in der Küche einsetzt. Die Reportage:

«Ein Cordon bleu ohne Verjus, das geht gar nicht mehr!», sagt Diego Mathier. Generell sei die Zitrone in seiner Privatküche eigentlich durch Verjus ersetzt worden. «Sogar den Eistee peppe ich mit Verjus auf», so Mathier. Verjus steht übersetzt für «grüner Saft» und wird aus unreifen Trauben gepresst. Winzer Diego Mathier, Chef des Weinproduzenten «Adrian & Diego Mathier Nouveau Salquenen» in Salgesch im Wallis, gilt als Schweizer Wiedererfinder des Verjus. Er fährt mich heute an die Saft-Quelle, in den sommerlichen Rebberg, wo ich selber Hand anlege bei der Ernte der Verjus-Trauben.

Diego Mathier und Trauben-Ernte.
Diego Mathier und Trauben-Ernte.

Nicht nur in Mathiers Küche, sondern auch in der Spitzengastronomie sorgte Verjus in den letzten Jahren für aufregende Geschmacksnoten. Eine neue Küchenzutat – die allerdings so neu gar nicht ist. Bevor die Zitrone ab dem 16. Jahrhundert in unseren Küchen Einzug hielt, galt Verjus als das Säuerungsmittel schlechthin. Die hiesige Wiedergeburt des Verjus fand 2005 statt. Anlass dafür war ein Essen von Diego Mathier beim Zermatter Gault-Millau-Koch Heinz Rufibach. Koch und Winzer kommen ins Gespräch. Mathier erzählt, dass er im Weinberg gerade grüne Trauben schneidet. Grund: Um die Weinqualität zu steigern, beschränken viele Winzer die Ernte auf ein Kilo pro Quadratmeter. Die abgeschnittenen Trauben bleiben am Boden liegen. Doch als der Koch dem Winzer von Verjus, den er aus alten französischen Kochbüchern kennt, erzählt, wird Diego Mathier sofort aktiv: Bereits eine Woche später hat Rufibach eine Flasche frisch gepressten Verjus aus Salgesch in der Post.

Bis ich selber eine Flasche in der Hand halte, vergehen anstrengende Arbeitsstunden im Rebberg. Hier ernten ein halbes Dutzend Mitarbeiter die grünen Trauben. Diego Mathier erklärt: «Pro Zweig lässt man einen Trauben stehen.» Erst wird entlaubt, so haben Beeren Licht und Luft. Hängen mehrere Trauben an einem Zweig, wird in der Regel von oben nach unten geerntet; die untersten Beeren reifen bis zur Weinernte. Den Verjus produziert Mathier derzeit sortenrein. Das ist jedoch weniger eine Geschmacks- denn eine praktische Frage. «Nach unseren Sommer-Betriebsferien ist die Syrah-Traube im richtigen Stadium – manche andere Sorten sind dann bereits zu süss. Mit dem Verjus suchen wir ja die Säure.»

Eine Beerenprobe weckt Kindheitserinnerungen. Nichts schmeckte damals besser als halb reife – und darum verbotene – Früchte. Noch fast grüne Trauben lockten uns deshalb ebenso wie die ersten grünen und noch steinharten Äpfel. Und genau dieses Aroma bringt auch der grüne Traubensaft in die Küche.

Dünger: Am Schluss landen grüne Trauben doch noch am Boden, wie zu Vor-Verjus-Zeiten.
Dünger: Am Schluss landen grüne Trauben doch noch am Boden, wie zu Vor-Verjus-Zeiten.

350 Kisten mit grünen Trauben füllt das Weinberg-Team an diesem Augusttag. Das entspricht rund 4000 Kilo Trauben. Mit knapp 2000 Litern Verjus rechnet Diego Mathier. Er könnte mehr produzieren – doch der Absatz ist noch nicht so riesig. Darum landen am Ende des Tages doch noch Trauben auf dem Boden. Wie früher, in der Vor-Verjus-Zeit.

Verjus-Blütezeiten gab es mehrere. Bereits vor Christus kochte man mit dem grünen Saft, hauptsächlich im Orient. Im Mittelalter galt Verjus – damals auch als Agrest bekannt – nicht nur als Säuerungsmittel für Speisen, sondern auch als Medizin, etwa als kühlendes, Fieber senkendes Mittel. Wegen der Zitrone ist Verjus in Europa fast ganz aus dem Angebot verschwunden. Im Orient hat sich der Saft über die Jahrhunderte als Küchenzutat gehalten.

Trauben-Pressung: Dank Trockeneis bleibt der Saft grün.
Trauben-Pressung: Dank Trockeneis bleibt der Saft grün.

Am Tag nach der Ernte stehen wir frühmorgens an der Presse. Für seinen ersten Verjus hatte Mathier die Trauben einfach gepresst, den Saft abgefüllt und nach Zermatt geschickt. Mittlerweile ist die eine oder andere Verfeinerung ins Spiel gekommen. So werden die Trauben heute unter Beigabe von Trockeneis verhackt und in die Presse gefüllt. Dank tiefer Temperaturen verlangsamt sich der Oxidationsprozess und der Verjus bleibt grün – das Trockeneis baut sich mit dem Schmelzen sofort vollständig ab. Bereits nach einer Stunde darf ich die erste Kostprobe geniessen. Für den frühen Morgen sehr sauer. Aber der Grundgeschmack macht Lust, ab in die Küche zu gehen. Was ich denn auch tue. Kellermeister Cedric Leyat zapft mir eine Flasche Verjus ab. Für den Verkauf wird der Saft nach dem Pressen noch gefiltert und pasteurisiert. So hält er sich mindestens zwei Jahre; einmal geöffnet ist er – im Kühlschrank gelagert – drei Monate verwendbar.

Der grüne Saft: frisch ab Presse.
Der grüne Saft: frisch ab Presse.

Ich aber kann nicht warten, bis der ganze Prozess abgeschlossen ist. In Zermatt steht bereits Heinz Rufibach in der Küche des Alpenhof Hotels. Die Flasche mit dem frischen Verjus nimmt er freudig in Empfang, probiert – und greift zum pasteurisierten Pendant: «So ganz frisch, das ist mir doch etwas zu viel Säure.» Heute kocht er für mich und Transhelvetica Mistkratzerli-Brüstchen auf Stangenbohnen und Eierschwämmen mit Salgescher Verjus-Sauce (das Rezept findet ihr hier>). Als Variante kocht er das gleiche Rezept, einfach mit Zanderfilet statt Mistchratzerli ( Zanderfilet auf Blattspinat und Eierschwämmen mit Salgescher Verjus-Sauce – Rezept als PDF ). Grundlage für die Sauce bei beiden Rezepten: Fond und Rahm, aufmontiert mit Butter. Ich darf die Sauce ohne Verjus probieren. Sie schmeckt ausgezeichnet – doch: Nach Zugabe von Verjus schmeckt sie ausgezeichnet frisch! Als Rufibach 2005 als erster Koch im Land und als Schweizer Co-Erfinder den Verjus im Angebot hatte, galt der Saft als Sensation und wurde in der Karte deklariert. Heute macht Rufibach das nur noch selten – Verjus ist bei ihm Alltag geworden. Als Profi suche er immer wieder nach neuen, innovativen Produkten.

Und welches Schweizer Produkt nimmt er sich als nächstes vor? «Honig ist ein Problem», sagt Rufibach. Es gebe zu wenig gute einheimische Angebote, hauptsächlich wegen dem Bienensterben. «Ein Traubenblütenhonig, wäre das etwas?», frage ich Rufibach, der mit einem Schmunzeln antwortet. Sicher ist: Ein innovativer Winzer wartet im Tal unten auf neue Herausforderungen. Vielleicht essen Koch und Winzer ja mal wieder zusammen und es gibt bald noch mehr kulinarische Gründe, nach Salgesch und Zermatt zu reisen.

Verjus: frisch gepresst (l.) – in der Küche nutzt Heinz den pasteurisierten Verjus.
Verjus: frisch gepresst (l.) – in der Küche nutzt Heinz den pasteurisierten Verjus.
Menu 1: Mistkratzerli-Brüstchen auf Stangenbohnen und Eierschwämmen mit Salgescher Verjus-Sauce.
Menu 1: Mistkratzerli-Brüstchen auf Stangenbohnen und Eierschwämmen mit Salgescher Verjus-Sauce.
Menu 2: Zanderfilet auf Blattspinat und Eierschwämmen mit Salgescher Verjus-Sauce.
Menu 2: Zanderfilet auf Blattspinat und Eierschwämmen mit Salgescher Verjus-Sauce.

Lust auf einen Versuch?

Bei diesen Produzenten können Sie Verjus kaufen:

Weinproduzent Adrian & Diego Mathier Nouveau Salquenen (das Original)
www.mathier.com

Weingut Schloss Salenegg
www.schloss-salenegg.ch

F. Küchler, Susten VS
www.verjusbio.ch

Hier können Sie – je nach saisonalem Angebot – Gerichte mit Verjus probieren:

Alpenhof Hotel, Restaurant «Le Gourmet», Zermatt
(Das À-la-Carte-Restaurant ist jeweils im Winter geöffnet, diese Saison von 4. Dezember 2010 bis 25. April 2011)
www.alpenhofhotel.ch, Reservationen:  Tel. 027 9665555