Gastautoren Marco und Melchior in Frankreich: Diner bei Michel Bras (Teil 3)

teaser

Sie hat uns gleich von Anfang weg in Beschlag genommen, die Bras-Maschine. Vielleicht auch, weil ihre teils fast pitoresk, ja gar religiös anmutende Stimmung an eine moderne Harry-Potter-Kulisse erinnert? Schon als das Gebäude für das Restaurant des französischen Starkochs Michel Bras vor fast 20 Jahren gebaut wurde, war die klare Linie vorgegeben und sie zieht sich hinein in die Gegenwart.

Das Diner in Bras Restaurant, das er zusammen mit seinem Sohn Sebastién führt, beginnt beim Apero im lichtdurchfluteten Kaminraum (Suquet) mit 240-Grad-Sicht über die Aubrac. Drei unterschiedlich stark mit Roquefort gewürzte bâtonnet und eine leichte Eiercrème mit Brunnenkresse (in der Eischale serviert) begleiten den von uns gewählten niac 3.3, gentiane & réglisse, ein Getränk, das etwas an Suze erinnert. Dazu etwas Philosophie, fein säuberlich zusammengefaltet auf Pergament, von Michel Bras persönlich. Nun ja, Perlen vor die Säue vielleicht…. Aber es passt. Crème und bâtonette schmecken vorzüglich.

Buttermesser, Küchencrew, Silberbesteck, Gargouillou.
Buttermesser, Küchencrew, Silberbesteck, Gargouillou.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Die beiden waskochen.ch-User* Melchior und Marco machten sich im Sommer auf die Spuren der Haute Cuisine in Frankreich. Höhepunkt war ein Dinner beim Weltspitzenkoch Michel Bras in Laguiole. Marco und Melchior beschreiben bei uns als Gastautoren, wie das «mikrowellenverseuchte Frankreich» ihr kulinarisches Herz zurückeroberte.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Wie eine Schar Druiden, mit blauen, wallenden Blusen, wusseln die unzähligen Serviceangestellten perfekt organisiert durch das schlichte, naturnah abgestimmte Ambiente. Kaum einer hätte sich gewundert, wenn sie sich formiert und wirklich zu tanzen angefangen hätten….

Wir bestellen die Côte de Boeuf und lassen uns den Gargouillou de jeune legumes als Vorspeise empfehlen. Denn die Warnung, dass die Côte in zwei Gängen serviert und pro Person ein rundes, halbes Kilo wiege, liess uns von der schwereren Vorspeisenvariante abkommen. Dazu einen einfachen Rotwein aus dem Languedoc, vom äusserst freundlichen Maître empfohlen. Chocolat, pistache & poire heisst unser Dessert.

Gedeckter Tisch im Restaurant «Bras» in Laguiole.
Gedeckter Tisch im Restaurant «Bras» in Laguiole.

Eine strahlende Concierge holt uns ab. Sie führt uns in die Küche, wo wir Sebastién Bras (Michel sitzt im Büro und grüsst uns durch Glas) die Hand schütteln. Auch hier beseelt eine Druidenbande den Raum. Sicher an die zwanzig Köche begrüssen uns mit einem Lächeln und arbeiten ruhig und besonnen weiter. Beeindruckend.

Im locker eingrichteten Essraum, der sich längs der riesigen Fensterfront spannt, stehen runde, grau bespannte Tische mit bequemen Sesseln, von denen aus man den ganzen südwestlichen Horizont beobachten und sich dem Schauspiel der langsam untergehenden Sonne hingeben kann. Einen schöneren Rahmen für ein Diner kann man sich kaum vorstellen – und wir harren der Dinge, umsorgt von einer Schar guter Geister, die uhrwerkgleich den weiteren Verlauf des Abends bestimmen werden.

Zum frisch gebrochenen Brot wird ein Stück frische Aubrac Butter mit einem eigens kreierten Horn-Buttermesser gereicht. Und bevor wir mehr übers Essen verraten noch eine kurze Bemerkung zu Bras Besteck-Philosophie: Das Laguiole-Messer, auf dem Tisch eine Version mit Reinsilber-Griff, ist ein wahres Heiligtum. Es ruht, zusammen mit Löffel und Gabel, auf einer Plaque und wird als einziges Besteckteil nie abgeräumt zwischen den Gängen. Selbst wenn es fein säuberlich zusammen mit der Gabel auf «4 Uhr» im Teller liegt, wird es vom Personal sofort auf die Plaque zurückgelegt… Für nicht Eingeweihte liegt eine Abhandlung auf fein säuberlich gefaltetem Pergament neben dem Messer. Um Respekt vor der Tradition wird gebeten und das befolgen wir natürlich.

Aber für den nächsten Gang brauchen wir das Messer gar nicht. In Degustationslöffeln werden je drei verschiedene «Bouillons» im Gelée serviert (Fisch, Gemüse und natur). Ein gelungenes amuse-gueule.

Das Gargouillou, ein teilweise lauwarmer Salat mit über 60 verschiedenen Gemüsen, Kräutern und Blüten wird am Tisch mit einer warmen Gewürzmilch übergossen. Ein Gedicht in mehr als 60 Versen würde wohl nicht reichen, um die wahrgenommenen Geschmacksexplosionen zu beschreiben. Fulminant!

Côte de Boeuf.
Côte de Boeuf.

Dann der Hauptgang: Spätestens ab jetzt wissen wir definitiv, warum wir nie mehr eine Côte de Bouef in Zürich essen werden! Was uns da bei Michel Bras auf den Teller gezaubert wird, ist WAHRE fleischliche Offenbahrung! Eine «artgerechte» Zerteilung des herrlichen Rindes, bei der auch das Fett seinen Platz hat. Ein Spiegel der Sauce du jour unterstreicht den sagenhaften Geschmack und gartenfrische Bohnen unterstützen das Ensemble nicht nur optisch.

Und dann der zweite Aufzug dieses saftigen und zarten Rinderteils, der unglaublicherweise den ersten Teller noch übertrifft. Dazu etwas Quinoa als Beilage. Wir kämpfen, aber wir wollen keinen Bissen wollen wir zurücklassen! Ungefragt wird uns dann noch ein Aligot serviert. Bitte schlagt selber nach was das ist, denn wir können nicht mehr.

Ufo-gleich schweben nun die Käsewagen durch den Raum und, oh Wunder, es scheint doch noch ein Plätzchen im Magen frei, das diese Herrlichkeiten an Milchverarbeitung der Region noch aufnehmen würde. Wir schlagen zu und bereuen nichts!

Friandises: zu viel des Guten!
Friandises: zu viel des Guten!

Das Dessert (Chocolat, pistache & poire) hingegen entpuppt sich als etwas zu gesucht und vermag uns nicht sonderlich zu begeistern. Die danach gereichten Friandises, Sorbetkugeln und mit Lauchcrème gefüllte Schokoladenkugeln sind definitiv zu viel des Guten. Mit einem Schnaps, eksgüsee, Digestiv lassen wir den Abend in der Suquet ausklingen. Draussen klarster Sternenhimmel. Kein Wunder, Herr Bras!

Weitere Impressionen (Fotos alle von Marco und Melchior):

Weg im Hotel von Michel Bras, das sich wie Wurzeln in die Landschaft fügt.
Weg im Hotel von Michel Bras, das sich wie Wurzeln in die Landschaft fügt.
Chemineeraum im Restaurant «Bras».
Die Lobby, genannt Suquet, im Restaurant «Bras».
Apero im Suquet von Michel Bras.
Aussicht vom Esstisch.